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Dr. Winters Kolumne

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Ladies Night

oder

Früher war alles besser


Liebe Freunde,
früher war alles besser, und noch früher war alles noch besser, und noch etwas früher war alles richtig gut, wenn ihr mich fragt, zum Beispiel damals, als es in der Dönerbude hinter der Autowäsche im Gewerbegebiet jeden Donnerstag eine "Ladies Night" gab.
Die "Ladies Night" an der Dönerbude war das Highlight der Woche. Manchmal bin ich mit Isabell dorthin gegangen, weil sie dann den großen "Dürüm Döner" für die Hälfte bekommen hat, und ein Getränk ihrer Wahl noch obendrauf. Manchmal hat Isabell dann gleich noch einen gegessen, und wenn Igor von der Autowäsche herüberkam, noch einen mit ihm zusammen.
Igor sagte immer so Sachen wie: "Die meisten Autos sehen besser aus als die Leute, die in ihnen herumfahren." Und Karl-Heinz, der in der Klempnerei arbeitete, sagte: "Die meisten Badewannen sehen besser aus als die Leute, die in ihnen herumliegen". Und Isabell sagte: "Ihr seid ja doof!".
Direkt über der Fritteuse hing ein Fernseher an der Wand. Dort lief der Sportkanal und wenn Izmir, der Inhaber, gerade nichts zu tun hatte, drehte er den Gästen seinen Rücken zu und sah sich ein Fußballspiel an. Der große Bratspieß drehte sich langsam und es roch nach Zwiebelscheiben und Dillsauce, und überall tropfte das Fett herunter. Nach dem fünften Bier sagte Karl-Heinz: "Mach mal bisschen Musik, Izmir!". "Was?", fragte Izmir. "Musik!", sagte Karl-Heinz. "Bin ich Sänger?", fragte Izmir. "Was weiß denn ich!", sagte Karl-Heinz. Damit war die Sache erledigt. Also keine Musik. Nur die tobenden Fußballfans über der Fritteuse.
Später kam noch Yvonne aus dem Küchenstudio herüber. Natürlich der sensationellen Preise zur "Ladies Night" wegen. Yvonne stöckelte an den Stehtischen vorbei bis hin zu Izmir, der mit dem Rücken zu ihr an der Theke stand, und sagte: "Ich hätte gern einen frisch gepressten Orangensaft!". "Du bist auch so ein frisch gepresster Orangensaft!", sagte Izmir, "willst du ein Bier?" "Da sage ich nicht nein", sagte Yvonne, und Izmir reichte ihr das Bier, ohne seinen Blick vom Bildschirm zu lösen. "Danke", sagte Yvonne und stürzte das Bier in einem Zug hinunter. Igor sagte: "Die meisten Küchen sehen besser aus als Yvonne!" Da drehte sich Yvonne zu ihm um, und sagte: "Und du siehst aus wie eine Kartoffel im falschen Körper!" Ich wusste nicht, wie sie darauf gekommen war, aber es stimmte sogar irgendwie. "Oder wie eine Gurke im Körper einer Kartoffel", sagte Yvonne. "Ist es nun wieder mal gut?", fragte Karl-Heinz. "Meinetwegen", sagte Yvonne. Danach hat sie zwei große "Dürüm Döner" zum halben Preis gegessen.
Nach zwanzig Uhr schaltete Izmir die Lichterkette mit den bunten Glühbirnen ein. Es war die pure Romantik, auch wenn hin und wieder in unmittelbarer Nähe ein Schnellzug vorbeidonnerte. Izmir sagte: "Bevor die Bahnstrecke elektrifiziert wurde, war es hier richtig gemütlich, jetzt ist hier nur noch Krach!", woraufhin Igor sagte: "Die meisten Züge sehen besser aus als die Leute, die in ihnen herumreisen!".
Danach kam das Gespräch ein wenig ins Stocken. "Habt ihr schon gehört?", fragte Isabell schließlich, "bei Ausgrabungen in Minnesota haben Archäologen den Abdruck eines fünf Millionen Jahre alten Turnschuhs mit Kreppsohle gefunden!". "Und was beweist das?", fragte Igor. "Dass Adi Dassler doch nicht der Erfinder des Turnschuhes ist", sagte Isabell, und dann sagte sie: "Sag doch auch einmal was!". "Was soll ich denn da sagen?", fragte ich. "Keine Ahnung", sagte Isabell.
Kurz vor einundzwanzig Uhr tauchte noch Ingo vom Treppenstudio auf, und ich bemerkte, dass jeder der Gäste zur "Ladies Night" einen Namen hatte, der mit "I" beginnt. Ingo bestellte einen Döner und fünf Bier, und nach dem dritten Bier sagte er: "Wie klein der Mensch im Verhältnis zu seinem Treppenhaus wirkt, aber wie sinnlos das Treppenhaus ohne ihn wäre!". Und das stimmte sogar.
Wie gesagt, früher war alles besser, aber das beste war die "Ladies Night" an der Dönerbude hinter der Autowaschanlage. In der Hoffnung auf bessere Zeiten verbleibe ich euer

Doktor Dürüm Yufka Döner Winter


Bild: Torsten Reineck