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Dr. Winters Kolumne

Dr. Winters Kolumne

Dr. Winters Kolumne

Die magische Show des Dr. P.I.F.


Liebe Freunde,
habe ich euch an dieser Stelle eigentlich schon mit der schockierenden Nachricht konfrontiert, dass ich im Urlaub beinahe einmal dem legendären Magier Dr. P.I.F. begegnet bin? Ich sehe euch schon förmlich die Augen aufreißen und: "Was? Dr. P.I.F.? Den Dr. P.I.F?" rufen. Dazu kann ich nur eines sagen: "Ja, genau, den Dr. P.I.F.!" Und hier kommt die ganze Geschichte. Entschuldigt, wenn ich dabei ein wenig literarisch werde, das lässt sich bei der Erhabenheit dieses Themas beim besten Willen nicht umgehen.
Ich erinnere mich, dass an diesem Morgen das Wasser ganz ruhig gewesen ist. Ruhig, grau und unbeweglich. Aber dann, plötzlich, hob sich eine lange, schaumbedeckte Welle hervor, und auf sie folgte eine weitere Welle und holte sie ein, und schob sich über sie hinweg, und begrub sie unter sich, und danach wurde das Wasser langsam wieder ruhig, und der Himmel füllte es mit seinem Grau, so, wie er es an anderen Tagen mit Blau füllte, oder mit dem gellen Licht der Sonne. Aber heute war alles dunkel, das Wasser, der regengetränkte Sand am Ufer, die zusammengefalteten Sonnenschirme, die übereinander gestapelten Liegen, und auch das Rauschen des Meeres hatte einen dunklen Klang, als strömte es durch eine Tonne oder ein Rohr mit beachtlichem Durchmesser. Das Meer war überwältigend, eine Urgewalt, monumental, elementar, großartig, und auf jeden Fall um einiges beeindruckender als die am Strand in regelmäßigen Abständen aufgehängten Plakate mit dem Bildnis des Zauberers Dr. P.I.F., der am Abend im Foyer eines der teuren Hotels an der Promenade auftreten würde. Aber das Meer gab es hier immer. Jeden Abend schlief man mit dem Geräusch seiner an den Strand rollenden Wellen ein, und wachte am nächsten Morgen mit dem gleichen Geräusch wieder auf. Das Meer war hier nichts Außergewöhnliches. Dr. P.I.F. schon. Deswegen zogen auch die Plakate, auf denen er mit einem polierten Blechhelm auf dem Kopf in einer Art UFO durch das Universum jagte, viele Blicke auf sich. Dr. P.I.F. eilte ein gewisser Ruf voraus. Alle wollten zu Dr. P.I.F.'s magischer Show. Alle, die es sich leisten konnten, wollten seinen brennenden Elefanten bewundern, und das Raumschiff, mit dem er von der Decke über die Köpfe des Publikums weg hereinschweben würde, die auf seinem Arm balancierenden Tauben aus weißem Marmor, und seine zersägte Assistentin, die noch immer nur zur Hälfte zu sehen war, und natürlich auch das hypnotisierte, hellsehende Einhorn.
Aber noch war es Morgen, und erst allmählich kam die Sonne hervor, und man fragte sich, ob Dr. P.I.F. schon in der Stadt war, und mit seinem Raumschiff einen kleinen Ausflug über den Dächern machte. Aber das schien nicht der Fall zu sein. Wer Dr. P.I.F. in seinem Raumschiff erleben wollte, musste bis zum Abend warten, und bis dahin war noch viel Zeit. Dr. P.I.F. führte seine magische Show hauptsächlich für Touristen auf, die nichts zu tun hatten, als es sich auf einem Liegestuhl bequem zu machen, zum Friseur zu gehen, ihren Hund, häufig eine Mischung aus Dackel und Rottweiler, in der Tiefgarage auszuführen, einen Drink an der Bar zu nehmen, oder die an der Promenade herum liegenden Katzen zu erschrecken.
Das mit den Katzen war eine Besonderheit. Man hätte meinen können, seinen Urlaub in Katzenhausen zu verbringen. Die Katzen schienen mit Sicherheit der Ansicht zu sein, dass ihnen die Stadt gehörte. Es waren fette, große Katzen, und ihr Fell schimmerte bunt in der Sonne, und sie waren so träge, dass es an Daseinsüberdruss grenzte. Meistens beeindruckte es sie in keiner Weise, wenn man auf sie zuging, und mit drohenden Gebärden versuchte, sie von ihrem Platz zu vertreiben. Sie öffneten nicht einmal ihre Augen oder nur einen Spalt weit, um sie dann sofort wieder zu schließen. Es machte sehr schnell keinen Spaß mehr, sie zu ärgern. Sie waren arrogant und selbstverliebt und hatten keinerlei Respekt vor anderen Lebewesen, und besaßen von daher kein Potential, sich mit ihnen die Zeit bis zum Abend zu vertreiben.
Es gab also nicht allzu viel zu tun, außer stundenlang am Strand entlang zu laufen. Am Strand waren viele Schilder mit Telefonnummern aufgestellt worden. Telefonnummern von Friseuren, Ärzten, Gaststätten. Die längste Nummer besaß die Seenotrettung. Sie bestand aus 24 Ziffern. Bis man sie gewählt hatte, kam jede Hilfe zu spät. Der Strand war mit Schiffswracks übersät, und ich fing an, sie zu zählen. Als ich am späten Nachmittag beim fünfundsiebzigsten Wrack angelangt war, erreichte mich die Nachricht, Dr. P.I.F. hätte sich an der Hotelbar aus dem Stand in einen Sessel fallen lassen, und der Sessel wäre nach hinten gerutscht und mit ihm ein paar andere Möbelstücke, und obwohl er noch versucht hatte, sich ein weiches Kissen herbei zu zaubern, wäre er so hart auf den Boden geprallt, dass er seine Zauberkraft verloren hätte. Unglaublich, oder?
So ist es gekommen, dass ich beinahe einmal dem legendären Magier Dr. P.I.F. begegnet bin. Seid vorsichtig beim Zaubern und an Hotelbars! Mit diesem wohlmeinenden Ratschlag verabschiede ich mich bis zum nächsten Mal.
Euer Dr. Houdini Klok Winter


Bild: Torsten Reineck