Von Oppeln nach Falkenberg
Schlössertour durch Schlesien
Beim Gedanken an Schlösser in Polen fällt uns wohl zunächst das niederschlesische "Hirschberger Tal" ein, weiter der Wawel in Krakow oder das Warschauer Schloss. Tatsächlich sind auch in der schlesischen Region Oppeln (Opole) viele der Prachtbauten zu erkunden. Die Woiwodschaft schließt sich östlich an Niederschlesien an und setzt sich historisch aus Teilen Ober- und Niederschlesiens zusammen. Oppeln bildet das Zentrum der deutschen Minderheit in Polen. 28 Gemeinden sind in der Woiwodschaft offiziell zweisprachig, was sich auch in mehrsprachigen Schildern zeigt. Die Besonderheit der deutschen Prägung hat der kleinen Region über diverse Verwaltungsreformen ihre politische Eigenständigkeit bewahrt.
Die Hauptstadt Oppeln als historisches Zentrum von Oberschlesien weist eine Vielzahl von Kirchen auf. Mir gefiel besonders die Franziskanerkirche als historische Stadtpfarrkirche direkt am Mühlgraben. Als Wahrzeichen gilt jedoch der 51 Meter hohe Piastenturm auf der Oderinsel gegenüber, der letzte Rest des alten Schlosses. Der eigentliche Palast wurde 1928 abgerissen. Ein scheinbar sozialistischer Verwaltungsbau an seiner Stelle ist in Wahrheit ein Gebäude aus den 1930er Jahren im Bauhausstil. Viel jünger, als es den Anschein hat, ist das Rathaus auf dem Ring. Sein Turm wurde dem Palazzo Vecchio in Florenz nachempfunden. Im Jahr 1933 stürzte der 60 Meter hohe Rathausturm bei Umbauten ein und wurde anschließend als Kopie rekonstruiert.
Die Oder teilt die Stadt Oppeln. Sehr schön ist die Partie zum Mühlgraben, der nahe dem Ring von der reizvollen Pfennigbrücke überquert wird. Der eiserne Brückenschlag im Jugendstil erhielt seinen Namen, weil bei seiner Errichtung 1903 noch eine Maut zu entrichten war. Mit seiner Bebauung erinnert der Oderarm an südliche Gefilde und wird daher "Klein-Venedig" genannt.
Abgesehen von dem südlichen Grenzstreifen zu Tschechien zeigt sich die Woiwodschaft eher flach. Dafür gehören die Lößböden zu den fruchtbarsten Böden in Polen. Die Erträge sorgten in der Vergangenheit für den Wohlstand, der bis heute in den Städten und rund 200 Schlössern überkommen ist. Auch die oberschlesischen Stahl- und Kohlefabrikanten fanden Gefallen an der Landschaft und errichteten hier ihre Landsitze. Die meistbesuchte Sehenswürdigkeit der Woiwodschaft ist der gewaltige Komplex des Schlosses Moschen. "Bescheidene" 365 Räume dienten als Familiensitz des Adelsgeschlechtes Tiele-Winckler. Dieses stammte ursprünglich aus Mecklenburg und erwarb im 19. Jahrhundert sein Vermögen als sogenannte Kohlenbarone. Um 1900 galten die Tiele-Wincklers als siebtreichste Familie im Deutschen Reich! Und Geld stinkt bekanntlich nicht: Dreimal genoss Kaiser Wilhelm II. den Luxus von Schloss Moschen.
Die Ursprünge als Jagdschloss reichen in das 17. Jahrhundert zurück. Als das Barockschloss 1896 niederbrannte, wurde es in alter Form wiederaufgebaut. Ergänzt wurde es um Flügel im Stil der Neorenaissance und der Neogotik. Das Schloss mit seiner opulenten gründerzeitlichen Ausstattung und der weitläufige Park können für 34 Zloty besichtigt werden. Für etwa 140 Euro lädt es standesgemäß zur Übernachtung ein. Nobel geht es auch im Schlosscafé zu.
Viel kleiner, aber durchaus reizvoll ist das Schloss Zülzhoff (Sulislaw). Das heutige Schlosshotel entstand im eklektischen Stil um 1889. Die letzten deutschen Besitzer aus dem Geschlecht derer von Schaffgotsch gehörten zum Kreisauer Kreis, einer Widerstandsgruppe im Dritten Reich. Johannes Graf von Francken-Sierstorpff wurde nach dem 20. Juli 1944 festgenommen und kam im Februar 1945 zu Tode. Abseits der Geschichte sorgt heute eine Wellnessoase mit Ayurveda-Angeboten für das Wohlbefinden der Gäste. Geführt wird das Haus von einem Vertreter des namhaften polnischen Adelsgeschlechtes, dem Grafen von Potocki.
Auch wenn das Schloss Falkenberg (Niemodlin) noch nicht durchsaniert ist, weiß das vierflügelige Renaissanceschloss mit barocken Elementen zu gefallen: 2017 wählten die Polen die gern gewählte Filmkulisse gar zum beliebtesten Schloss des Landes! Historische Wandmalereien im Schlosshof sind mitunter recht neu und auf einen hier gedrehten Streifen zurückzuführen. Abgesehen von den Filmemachern lieben auch Kinder das Gelände: Durch den Park streifen Rehe bis an das Gebäude, die hier auch gefüttert werden können.
2015 übernahm ein Juwelenhändler aus Lodz das Schloss und führt eine behutsame Sanierung durch. Eine Besichtigung lohnt schon heute. Eine Waffensammlung erinnert an die durchaus nicht nur friedvolle Geschichte. Die Katakomben bergen das Labor eines Alchimisten sowie einen Folterkeller. Sogar eine Nachahmung des Bernsteinzimmers befindet sich in dem Gemäuer. Langfinger sollten aber wissen, dass das goldgelbe Material in Wahrheit Kunststoff ist!