Frühlingserwachen in Florenz
Lebenslust und Kunst an jeder Ecke
Keine Stadt in Europa weist auf engstem Raum eine derartige Fülle an Kunstschätzen auf wie die Stadt der Medici - Firentia, die Blühende. Wie Gold glänzen ihre Kuppeln, Türme und Paläste in der südlichen Sonne…
Meisterwerke der Renaissance-Baukunst, weltberühmte Skulpturen und Gemälde stehen neben stylischen Bars und Shops mit futuristischem Modeschmuck für das einzigartige Flair dieser Stadt. Kluge Stadtplaner wussten in den vergangenen Jahrzehnten zu verhindern, dass sich neuzeitlicher Beton in die kompakte Altstadt frisst. So ist der weithin berühmte Dom, dessen Grundsteinlegung immerhin 1296 erfolgte, mit 114 Metern bis heute das höchste Bauwerk von Florenz. Auch wenn dieser Bau vergleichsweise spät erfolgte - Pisa, Siena oder Lucca hatten zu dieser Zeit längst ihre prachtvollen Kathedralen - stellte die oktogonale Kuppel Brunelleschis die toskanischen Mitbewerber weit in den Schatten.
Zu seinen Füßen, an der Piazza del Duomo, kreuzen sich die wichtigsten Straßen der Stadt. Das hektische Treiben ist jedoch der falsche Platz, um das architektonische Meisterwerk genüsslich bei einem Espresso zu studieren. Das Leuchten der allgegenwärtigen Kuppel ist viel besser durch das Gassengewirr der Umgebung oder aus der Entfernung jenseits des Arno zu erhaschen. Umgekehrt lohnt hier der Aufstieg: Nach schlappen 463 Stufen liegt - am besten bei Sonnenuntergang - die pittoreske Altstadt zu unseren Füßen. Aus der Ferne grüßen die Hügel der Toskana. Eher enttäuschend ist hingegen das Innere des Doms: Hier beeindrucken vor allem die schieren Ausmaße des viertgrößten Kirchenraums der Welt. Ansonsten ist dieser eher schlicht und wirkt, im Kontrast zur Kuppel und der Westfassade aus dem 19. Jahrhundert, dunkel bis bedrückend.
Beim Gang durch die engen Gassen der Altstadt entdecken wir auf Schritt und Tritt historische Meisterwerke, oft im Strom mit anderen Touristen, die sich mit ihren vorgehaltenen Smartphones stolpernd und schubsend fortbewegen. Die endlose Masse an Besuchern überfordert wohl auch einige Ladenbesitzer und Cafébetreiber. Zumindest fühle ich mich als Gast dort nicht immer willkommen. Ein vorheriges Studium der Preisliste ist unbedingt anzuraten.
Ein Muss für jeden Reisenden ist die sogenannte Ponte Vecchio. Die Brücke über den Arno wird, ähnlich der Erfurter Krämerbrücke, zu beiden Seiten von kleinen Häuschen gesäumt. Ihr baulicher Ursprung reicht in die Zeit der Etrusker zurück. Der heutige Brückenschlag stammt immerhin auch schon aus dem 14. Jahrhundert. Seinerzeit boten die Fleischer in den Läden ihre Waren feil. Der den Auslagen entströmende Geruch störte die Medici, die sich im burgenartigen Palazzo Pitti niederließen und den Wandelgang über der Brücke nutzten, um in die Altstadt und die Uffizien zu gelangen.
Ferdinand I. verfügte daher 1593, dass die Brücke fortan Goldschmieden vorbehalten war. Noch heute sind hier die besten Juweliere beheimatet. Ein Blick auf den Arno ist nur in der Mitte möglich, wo die Baumeister drei Arkaden freigelassen hatten. Leider ist das von Charles Dickens 1845 beschriebene Silberband des Arno einem eher träge dahinfließenden, grünlichen Rinnsal gewichen, das sich im Spätherbst in einen graubraunen Gebirgsfluss verwandelt.
Eine Besonderheit der Stadt sind die sogenannten Loggien. Die gewölbten Säulenhallen sind nach einer Seite offen. Von der Funktion her waren sie entweder öffentliche Markthallen oder private Empfangssalons. Allerlei Tand wird in der Loggia del Mercato Nuovo angeboten. Ihr Maskottchen, das marmorne Original des Bronzeebers, ist heute in den Uffizien zu sehen.
Die Loggia an der Piazza del Signoria wurde im 14. Jahrhundert von besagter Signoria, der Stadtverwaltung, für Empfänge gebaut. Wem das wunderschöne gotische Bauwerk bekannt vorkommt: Bayernkönig Ludwig I. nahm sich die Loggia ein halbes Jahrtausend später zum Vorbild für die Feldherrenhalle in München. Die Bronzestatue des Perseus symbolisiert den Triumph der Machtherrschaft über die Demokratie, also das Volk: Letzteres hatte während der Vertreibung der Medici die weithin berühmte Figur des David als Zeichen des Sieges der Schwachen über die Herrschenden - die Goliaths - vor dem Palazzo Vecchio aufgestellt. Die grazile Statue schuf Michelangelo 1501 bis 1504 aus einem einzigen Marmorblock.
Der originale David steht seit 1873 in der Galleria dell'Accademia. Das 4,10 Meter hohe Werk gilt als die bekannteste Skulptur der Kunstgeschichte. Was dem Pariser sein Eiffelturm, ist den Florentinern ihr "David", der in unzähligen fliegenden Ständen oder Touristenläden als Mitbringsel angeboten und auch gekauft wird.
Kaum ein Tourist sieht sich in der Lage, auch nur einen wesentlichen Teil der 70 Museen der Stadt zu besuchen. Fast jeden treibt der Reiseführer in die Uffizien. Der Palast entstand im 16. Jahrhundert als Machtzentrum der Medici. Anna Maria Ludovica verstarb 1743 als letzte der Dynastie. Sie vermachte ihre Kunstschätze der Stadt mit der Maßgabe, dass diese "für immer und ewig" in der Stadt bleiben und der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen. So verfügt die Stadt heute über eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Menschheit. Das Erste, was ich sehe, ist allerdings kein Kunstwerk, sondern eine unübersehbare Schlange vor dem Eingang ohne erkennbares System. Das nächste Mal reserviere ich eine Eintrittskarte vorab online. Doch dann: Allein der "Der Frühling" Sandro Boticellis entschädigt für vieles. In den Sälen 7 bis 15 konzentriert sich die weltweit schönste und größte Sammlung von italienischen Gemälden des 15. Jahrhunderts. Aber dennoch - auf den normalen Besucher macht die Ausstellung leider einen eher ungepflegten und planlosen Eindruck, fast so, als kämen die Touristen ja so oder so.
In dem an Museen nicht eben armen Italien gelten die Uffizien als meistbesuchter Kulturtempel überhaupt. Und auch wenn über Straßen und Gebäuden der Stadt oft Patina wie ein Schleier liegt; Florenz, die Blühende, gehört zweifellos zu den schönsten Orten dieser Welt.